Morcheln 2005 - 2

25.März 2005 Die Morcheln ziehen mich unwiderstehlich in den Wald. Zuwachs haben sie zu meiner Freude bekommen; und ich Konkurrenz. Diese bekommt sofort einen Freiflug  über den Bach, sie werden sicher nicht verhungern ohne das  Morchelfleisch, das ich mir zugedacht habe.

Fichtenzapfenrüblinge stehen wie gesät, kaum  ein Fichtenzapfen der nicht bis zu 50 Pilzchen trägt, also rührt es sich im Waldboden schon recht kräftig. Da stehen doch wirklich noch Gallerttrichterlinge vom Vorjahr herum, interessant, dass diese zarten Pilze über den Winter gekommen sind. 

Heute muss ich drei der Morcheln ernten, zum Osterfest ist es Pflicht, dass einige Morchelstückchen in der Soße schwimmen.  Fünfzehn Morcheln dürfen noch weiterwachsen.

Vom 1. bis 12. April sammle ich alles was ich an Morcheln finde und  gefriere die Köstlichkeiten ein. Zum Morcheltreffen Ende des Monats will ich den Teilnehmern einen großen Topf voll Morchelrahmsoße kochen und für zehn Leute werde ich eine ganze Menge brauchen. Ein kleiner  Wintereinbruch zum 8. April ist schnell vorbei und das zusätzliche Wasser lässt die Morcheln weiter sprießen. 

Könnten sie schon in den Wertachauen stehen? Nur wenn man hinschaut  weiß man es. So mache ich einen kleinen Spaziergang. Tatsächlich sie  sind da. Sehr klein sehr schön, allerdings sollten sie zum Ernten noch  etwas wachsen. Schweren Herzens lasse ich etwa zwei Dutzend Speisemorcheln zurück. Einige decke ich ab, solche die von Natur aus  geschützt wachsen überlasse ich dem blanken Himmel. Voriges Jahr war meine plötzlich aufgetretene Konkurrenz auch nicht tätig, insgeheim  hoffe ich, sie ist umgezogen, also gehe ich ohne Morcheln heim. So 4-5 Tage können sie schon  zum Erwachsen werden vertragen. Entdecken  tu ich sie an zwei Stellen. Beim Amselnest, so hieß die dritte Stelle  früher, doch seit letztem Jahr ist es der Turnschuhplatz, die Morcheln sind nämlich einen Baum weiter gezogen, ist noch gähnende Leere. Bei meinem nächsten Besuch werden sie an dieser Stelle auch da sein, ich erwarte mir gute Beute, so einen richtig vollen Korb!

Nur noch drei Tage bis zum Morcheltreffen! Was machen meine Speisemorcheln, ich muss schauen gehen, ich halte es nicht mehr aus. Sind sie gewachsen, sind sie noch da, es hat inzwischen sehr geregnet, sie müssten also schon zugelegt haben. Voller Spannung begebe ich mich zur Wertach. Kurz bevor ich bei der Bank bin hinter der die ersten zwei Morcheln stehen müssen, wird mein Hals  immer länger. Nach ein paar Schritten entdecke ich die Katastrophe:  Statt zweier Morcheln leuchten mir zwei kleine runde Röhren entgegen!  Nein! das darf doch nicht war sein, mein Platz ist einem Pilzräuber in  die Hände gefallen! Mein Herz rutscht in die Hose, wenn nicht noch  tiefer. Sämtliche Morcheln sind weg! Nachdem ich mich vom ersten Schock etwas erholt habe, schaue ich genauer hin, die Morcheln, die ich getarnt habe sind noch da, einige stehen auch ganz frei, also ist die Konkurrenz nicht so gut im Morchelfinden. Ein ganzes Dutzend heimse ich noch ein, aber mindestens ebenso viele sind abgeschnitten. Meine Pilzseele ist empfindlich verletzt, aber was hätte ich denn tun können, bei meinem letzten Besuch waren die Morchelchen ja noch so klein!  Pilzsuche, unglaublich wie sie das Gemüt treffen kann. Von himmelhoch jauchzend bis zum Tode betrübt reichen die Gefühlsregungen. Heute ist Traurigkeit angesagt, schnüff.