Morcheln 2006- 4

1.Mai, es wird Zeit nach den Speisemorcheln zu schauen. Mit Herzklopfen mache ich mich auf zum Wertachweg. Hier sitzt mir die Konkurrenz im Nacken. Die Anemonenbecherlinge sind inzwischen überreif, sie sitzen angetrocknet auf ganz hohen Stielchen. Meine Schritte werden immer kürzer, werde ich nur abgeschnittene Morchelstümpfe sehen? -  DA - nein, es ist eine ganze Morcheln, nein zwei. Puh! Und dort noch eine und gleich neben mir! Wie das, noch kein Schneiden von anderer Hand sehe ich. Ganz akribisch setze ich meine Suche fort, nicht ein Morchelchen darf zurück bleiben, vielleicht kann ich durch Nullwachstum meinen “Feind” verprellen.

Noch mehr Interessantes gibt es, Käppchenmorcheln drücken schon ihre kleinen gelben oder braunen Rosettchen aus dem Boden. Doch erst sind die Speisemorcheln dran, fünfzehn Stück, das ist nicht übel. Nur so ganz kleine entdecke ich keine, ja wollen die nicht mehr werden?

Nun wäre es wichtig zur Steilwand zu gehen. Meine Gedanken krallen sich gleich daran fest. Was soll es, ich werde gleich von hier dorthin fahren. Etwas scheue ich mich diesen steilen Berg am Ende umsonst zu erklimmen. Aber wie das halt bei Pilzen ist, wenn man nicht hinschaut weiß man nichts, also hinschauen ist angesagt.

Hübsch warm ist es, als ich in den Berg einsteige. Nanu, da sind Reifenspuren, genau bis zu der Stelle bei der ich immer parke. Traktorspuren sind das keine, PKW..., ganz sicher und ganz frisch, von heute, ganz sicher! Wer fährt warum hier rauf, mitten in die freie Wiese am steilen Hang? Die Anfahrt ist nicht unbedingt autofreundlich.  Was gibt es hier zu holen außer Morcheln?  Düstere Gedanken hege ich, während ich über die vielen Zäune klettere oder unten durch krieche. Sollte Schorsch mal wieder Lust auf Morcheln bekommen haben oder sollte gar meine Nichte Simone einen Alleingang gewagt haben? Was wird mich da oben erwarten? Ein abgeernteter Platz? Ich passiere den letzten Stacheldraht und verheddere mich fast darin. Diese Nerven, Herzklopfen, ja was soll denn das! “Elfi ruhig Blut”, so hole ich mich von den 180 runter. Dann gibt es einen beruhigenden Schreck:

Große dicke, nicht zu übersehende Spitzmorcheln!

Dazu fünf kleine Spitzmorcheln und siebzehn knackig frische Speisemorcheln!

Über den ganzen Hang bin ich kreuz und quer unterwegs, nein nicht eine Morchel wurde abgeschnitten, allerdings sind da Tritt- und Rutschspuren. Also jemand war da oben, wer weiß warum. Mein Puls ist trotz der Hitze und der Anstrengung, die der Berg immer macht, ganz normal. Beschwingt gleite ich ohne hängen zu bleiben unter den Zäunen durch. Im Auto kommen wieder Gedanken hoch, der Schorsch hätte die Morcheln gefunden, die Simone? Vielleicht nicht, schließlich waren die Pilze noch recht klein, sie ist noch nicht so geübt im Morchelfinden. Ich werde sie besuchen, sie wohnt nicht weit von hier.

Mit meinem Pilzkorb unterm Arm läute ich an der Tür von Simone und Manfred. Mit Hallo werde ich eingelassen, Simone hat die Morcheln gleich entdeckt: “Wo hast Du denn die her?” “Na, von der Steilwand!” “Was?” Sehr verdächtig dieses: WAS! Nun muss ich fragen: “Ich habe da Spuren gesehen, warst Du oben?” Leicht verlegen und etwas verdattert nicken beide mit dem Kopf: “Aber wir haben nichts gefunden, wir waren heute vormittag.”

Wusste ich es doch.....! Manfred war zum ersten Male in seinem Leben in den Morcheln und sie hatten auch den kleinen Armin dabei, kein Wunder, dass sie nichts gefunden haben. Wir verabreden zum Wochenende miteinander zum Berg zu gehen und dann schenke ich Simone die Beute, sie freut sich ganz närrisch. Noch heute wird sie Pilzauflauf machen. Eigenartig, die Pilze gönne ich ihr von Herzen, aber wenn sie mir das Finden weggenommen hätte..., irgendwo in meinem Kopf muss da eine Pilzschraube sein, zu fest, oder zu locker?