Seattle 2007 - 5

Dienstag 12. Juni, heute ist Seattle Stadt angesagt. Wir fahren zur Space Needle. Ein Außenaufzug bringt uns auf 170 Meter zur Aussichtsplattform. Es ist beeindruckend diese weit gefächerte Stadt von oben zu sehen. Wir blicken auf den Washington Lake. Ein Süßwassersee der die Metropole speist. Allerdings reicht die Sicht nicht bis Hannas Stadtteil Mill Creak! Der Mt. Baker lässt sich im Dunst leider auch nicht ausmachen. Doch in die Berge der Olympic Peninsula winken herüber. Der Hwy 5 sticht als Lebensader aus der Häuserflut hervor. Dahinter reihen sich die Cascade Mountains, sehnsüchtig geht mein Blick in diese Richtung, dort hinten auf der Ostseite liegt das Steinpilzgebiet, das mir schon richtig ans Herz gewachsen ist. Hinter den Wolkenkratzern von Seattle downtown schiebt sich der Mt. Rainer aus dem Dunst. Dieser Fünftausender liegt etwa neunzig Kilometer südsüdöstlich von Seattle und ragt auf mancher Postkarte im richtigen Licht fotografiert gleich hinter Seattle in den Himmel. Nach einer kleinen Brotzeit begeben wir uns auf den Rückweg. Wir steuern den Pike Place Market an. Auf zwei Stockwerken liegt ein riesiges Warenangebot.

Es gibt einfach alles. Blumenläden, Lederwaren, gleich gegenüber dem Fisch liegt der Schmuck, Lebensmittel aller Art, Gewürze, Geschirr, Bekleidung, Nippes, Kruscht, Krempel. Mottenkugelgeruch löst den Fischgeruch ab. Restaurants, Cafes, Bars, Minikneipen. Etwas muss ich mir hier mitnehmen. Bei einer Chinesin erstehe ich ein Paar hübsche Ohrringe. Ein Wickeltuch mit indianischem Muster gefällt mir auch.

Hanna kauft auch ein, doch sie denkt mehr an unser leibliches Wohl. Ihre Gedanken kreisen um das Abendessen. Catfisch will sie dafür kaufen. Ich genehmige mir eine Zigarettenpause außerhalb des Marktes. Dann taucht Hanna mit einer prallgefüllten Tüte auf. “Er hat mir den Fisch in Eis gepackt, damit wir ihn sicher frisch nach Hause bekommen,” erklärt sie das dicke Paket. Auf dem Rückweg merke ich, dass Hanna ganz schön am Schleppen ist. Gerne nehme ich ihr das Paket ab. Ja, Hilfe, das wiegt mindestens fünf Kilo! Wieviel Eis hat der Verkäufer denn da reingepackt?

Das Gewicht klärt sich daheim auf. Es sind 6  Catfische und 12 Austern! Das Abendessen wird opulent. Zum Entree: Austern. Das Hauptmenue besteht aus paniertem Catfisch gefüllt mit Steinpilzen, dazu einen feinen Weißwein. So lässt es sich leben.

Abends müssen wir noch nach Everett. Von Hannas Pilzverein ist heute Treffen. Ich werde als Gast vorgestellt. Hanna erzählt von meinem erfolgreichen Alleingang nach Wenatchee, was allgemeine Anerkennung auslöst. Noch ein Gast aus Deutschland wird vorgestellt. Anni, ein Mitglied des Vereines hat Besuch von ihrer Schwester Helga, sie ist aus Peissenberg. So klein ist die Welt, ihre Heimat liegt etwa 40 km von meinem Heimatort entfernt. Dann bekomme ich Bilder von Morchel gezeigt bei denen können einem die Augen überlaufen! 13 Pfund, der Fundort heißt Conconully. Hanna hat mir davon erzählt. Bei diesem kleinen Ort hat es voriges Jahr gebrannt. 700 qkm Wald wurden durch Blitzschlag abgefackelt und in diesem Jahr stehen die Morcheln. Es soll Leute geben die haben 65 Pfund gefunden! Ich fotografiere die Bilder ab, das muss man gesehen haben!

Hanna hat schon geplant, dass wir dort hinfahren. Jetzt bin ich auch richtig heiß darauf. Allerdings müssen wir übernachten. Nach Conconully sind es 240 Meilen! Während ich geistig bereits in den Morcheln bin, wird eine Filmvorführung vorbereitet. Es geht um Matsutake Pilze.

http://de.wikipedia.org/wiki/Matsutake Diesen Link empfehle ich allen, die über diesen Pilz mehr wissen wollen. Und so läuft der Film ab: Ein Wasserflugzeug landet auf einem unzugänglichen einsamen See. Drei Mann belegen eine etwas heruntergekommene Hütte am Strand. Man sieht sie bei der Pilzsuche und bei der Pilzernte. Mit großen gelochten Plastikeimern sind sie unterwegs. Zwei der Männer sammeln , einer filmt. Alle sind sie gut angezogen, auch Handschuhe tragen sie. Ihr Erntewerkzeug ist nicht etwa ein Messer sondern ein großer Schraubenzieher! Mit diesem hebeln sie die weißen Pilze aus dem Boden, der gröbste Schmutz wird abgewischt und die Pilze wandern in die Eimer. Drei Tage wird der Wald durchgekämmt, dann kommt das Wasserflugzeug und holt 3 Mann und 200 Pfund Pilze ab. Diese werden bei kommerziellen Aufkäufern verkauft, das Pfund für 5 bis 14 Dollar, je nach Frische!  Irgendwie bin ich erschüttert. Da lobe ich mir meine beschauliche Pilzgeherei, mit Freude um jeden Fund.