Seattle 2007 - 8

Der Morgen macht mich fix und fertig. Erstens stehen wir für meinen Begriff viel zu spät auf. Das Frühstück zieht sich über eine viel zu lange Zeit. Schwierig ist es für mich Ruhe zu behalten, bis endlich alles Gepäck im Auto ist und wir ebenfalls. Hanna ist die Ruhe in Person, sicher 240 Meilen sind nicht weit, hier in den USA für eine Tagesfahrt, aber wir wollen an unserem Ziel noch in den Wald. In einer uns völlig unbekannten Gegend. Endlich fahren wir auf dem Highway 5 nach Norden. Weit voraus grüßt uns der schneebedeckte Mt. Baker. Wehmütig schaue ich ihn an, er ist so weit weg. Dort müssen wir hin, an seinem Fuß läuft die Straße entlang, von dort noch 140 Meilen nach Osten. Einmal habe ich den Eindruck, dass Hanna eine gewisse Ungeduld in sich trägt, sie fragt mich, wann sie denn endlich 70 Meilen fahren dürfte? Bis über Everett hinaus sind nur 65 angesagt. Auf dem Freeway 20 fahren wir durch ein atemberaubendes Land. Immer wieder sind Pausen angesagt, gucken, trinken, essen, pinkeln. Erst nach dem Mittag sind wir in Winthrop. Wir müssen bei den Rangern eine Sammelgenehmigung holen Hanna bekommt keine, sie hat ihren Führerschein vergessen, ich bekomme eine! Entgeistert lese ich die Erlaubnis  3 Gallonen  Morcheln täglich bis 31.Juli, heute ist der 19. Juni morgen fahren wir wieder nach Seattle! Der Zettel kostet nichts, es müssen nur die bezahlen, die die Morcheln weiterverkaufen und deshalb mehr sammeln dürfen. Auf einer frisch mit Split aufgeschütteten Straße fahren wir im Schritt Richtung Conconully.

Endlich! Verbrannter Wald! Es ist unglaublich heiß und trocken, da sollen jetzt Morcheln wachsen? Ziellos halten wir an und suchen zwischen verbrannten Bäumen. Nicht mal Spuren von Morcheln. Der Zustand des Waldes könnte von der herrschenden Hitze kommen, da braucht es keinen Brand!

In einem Hang entdecke ich dieses Gebilde! War wohl mal eine Morchel. Heulen, das könnte ich jetzt, es gab hier mal Morcheln, soviel weiß ich nun. Der nächste Weg den wir befahren, ist eine Sackgasse, an dessen Ende parkt schon ein Auto. Wieder versuche ich mein Glück. Im schattigen Hang entdecke ich 16 Morcheln!!

Sie sind sogar frisch! Im Morchelwahn vergesse ich sie zu fotografieren. Hanna bekommt leuchtende Augen, als ich sie ihr bringe, allerdings ist sie der Meinung wir sollten uns um unsere Übernachtung kümmern. Auf dem Weg nach Conconully begegnet uns dann Unglaubliches. LKW´s am Straßenrand, Morchelaufkäufer! Und Berge von Morcheln! Jeder Korb enthält cirka 10 Pounds Morcheln, etwa 4,5 Kilo, echte frische Morcheln!

Ich frage einen Mann der mit Frau und Vater fünf Körbe Morcheln sortiert, wer die sammelt. Er sagt mir, der Vater gehe alleine morgens um 2 Uhr los und käme um 5 Uhr nachmittags mit bis zu 80 Pounds zurück! Der Vater ist einen Kopf kleiner als ich, vom Aussehen her ein Südostasiate. Hanna sagt, die meisten Sammler kämen von dort. Mung, Kambodschaner, Thais. Seltsam irgendwie machen mich diese Morcheln in ihrer Masse überhaupt nicht an, eher so wie Monopolygeld. Das kenne ich vom Kassieren im Großmarkt, da konnte ich für das Geld das ich zählte auch kein Interesse aufbringen.                  Nun fahren wir erst mal ins Städtchen. Conconully ist ein richtig verpenntes altes Bergwerksdörfchen! Wir beziehen ein Zimmer im einzigen Motel. Neben dem Gebäude hat eine Morchelkäuferin ihren Wagen stehen. Hanna ist etwas müde, ich gehe zu der Frau und begutachte ihr Morchellager.

Wir kommen ins Gespräch. sie sagt, dass sie für 10 Pounds Morcheln 10 Dollar bezahle. Aha, der Mann oben an der Straße bezahlte nur 9! (Im Seattle Market sahen wir Morcheln 1 Pound 19,95 Dollar!) Und für die Gray Morells 14 Dollar. Gray Morells? Kenne ich nicht. Sie zeigt mir den Unterschied. Diese Morcheln sind jung einfach nur dunkel anthrazit, groß im schlichten grau. Ich tippe auf Russ? Nein, es ist eine eigene Art, sie sind schwerer und besser im Geschmack. Hanna hat sich zu uns gesellt und sagt mir, dass sie solche Morcheln auch nicht kenne. Während der Unterhalten sortiert die Frau einiges an Morcheln aus, zerdrückte und total verschmutze fliegen in einen eigenen Korb. Wir bewachen den Morchelschatz, während sie mal zum Händewaschen geht, dann hat sie ihre Arbeit erledigt. Bevor sie wegfährt schenkt sie uns die aussortierten Morcheln! Unsere kleine Beute erhöht sich dadurch auf 48 Morcheln!